Die Ungarische Sprache II.

Schrift, Phonetik und Grammatik des Ungarischen

ungarische kerbschrift alphabet
Die historische Kerbschrift der Ungarn; Quelle: Sándor Forrai Arbeitsgruppe für Kerbschrift

Schrift

Geschrieben wird das Ungarische mit der ungarischen Variante des lateinischen Alphabets. In seiner Rechtschreibung ist das wichtigste Prinzip die sg. sinnwiederspiegelnde Schreibart. Das zweite, dem vorangehenden untergeordnete Prinzip ist das der phonetischen Schreibart, d.h. man kann aus dem Schriftbild ohne besonderen Vorkenntnissen leicht die annähernd richtige Aussprache erschließen. Nebst Buchstaben des lateinischen Alphabets verwendet unser Schriftsystem mit Akzenten ergänzte Schriftzeichen für einige Vokale.

Ein Teil der Konsonanten werden mit zweistelligen Buchstaben markiert. Das Zeichen der Palatalisation ist meistens ein <y> neben dem unpalatalisierten Buchstabe. Dementsprechend verhält sich das Zeichen <ny> für /ɲ/, bzw. das <ty> für /c/. Interessant in der Rechtschreibung ist es, dass im Gegensatz zu den meisten europäischen Sprachen das Zeichen für /ʃ/ einfach <s> und für s <sz> ist. Alle zweistelligen Buchstaben werden als einen angesehen /cs, dz, dzs, gy, ly, ny, sz, ty, zs/, und sind sie bei Trennungen an Zeilenenden untrennbar. Es gibt lediglich eine Buchstabe mit drei Ziffern: <dzs>. Aus Tradition ist noch das <ly> gebräuchlich, was das mittlerweile am Großteil des Sprachgebiets ausgestorbenen /ʎ/ markiert hat; sein phonetischer Wert heute ist: /j/.

Wenn sich ein Konsonant in der gesprochenen Sprache ausdehnt, wandelt sich in Schrift sein zweiziffriges Zeichen in ein dreiziffriges: asszony. In zusammengesetzten Wörtern hingegen zieht man die nebeneinander geratenen identischen zweiziffrigen nicht zusammen: jegygyűrű.

Die Betonung fäll immer auf die erste Silbe. In langen Wörtern bekommen die ungeraden Silben einen Nebenakzent. Die Länge der Vokale unterscheiden wir in Schrift eher als in der gesprochenen Sprache: mit Ausnahme von a, á, e, é besteht zwischen langen und kurzen Konsonanten ein geringer Unterschied. Das a ist nicht gleich mit dem langen a, é ist kein langes e. Die Länge der Vokale wird mit Akzenten gekennzeichnet, sie machen einen Bedeutungsunterschied aus.

Manche Dialekte verwenden auch ein kurze Variante des é-s, welche manchmal so geschrieben wird: ë. Zoltán Kodály unterstützte diesen Laut, so wird er in Volksliedersammlungen oft benutzt.

Alphabet

Das erweiterte, vollständige Alphabet des Ungarischen ist wie folgt:

Die Rechtschreibung folgt zumeist die Aussprache, ist aber trotzdem kompliziert. Die Aussprache mancher Wörter unterscheidet sich in bestimmten Dialekten; ihre Schreibart bleibt davon unberührt. Die Rechtschreibung von Wortzusammensetzungen und -verbindungen mancher Eigennamen, aus Eigennamen gebildete Adjektive ist nicht trivial. Aus historischen Gründen ist der Laut j in bestimmten Wörter als j und in anderen als ly zu schreiben, und sie können in demselben Wort auftreten.

Herkömmliche Lautkennzeichnung in Eigennamen

Nach dem traditionsbewahrenden Charakter der ungarischen Rechtschreibung werden in einzelnen Eigennamen bestimmte Laute von der heutigen abweichend geschrieben. Folgende Tabellen stellen diese Laute vor:

Konsonanten

Vokale

 

Eigennamen

Herkömmliche
Schreibweise

Aussprache

Herkömmliche
Schreibweise

Aussprache

 

Schreibweise

Aussprache

sch

s

aa

á

 

Madách

Madács

sc

sz

ee

é

 

Széchenyi

Szécsényi

ch

cs

ie

í

 

Batthyány

Battyányi

ts

cs

ö

 

Thököly

Tököli

cz

c

ew

ö

 

Weöres Sándor

Vörös

tz

c

oo

ó

 

Eötvös

Ötvös

gh

g

ü

 

Cházár

Császár

th

t

iw

ü

 

Czukor

Cukor

lh

l

uo

ú

 

Gaál

Gál

nh

n

y

i

 

Veér

Vér

 

 

ý

í

 

Soós

Sós

 

 

 

 

 

Thewrewk

Török

 

 

 

 

 

Dayka (Gábor)

Dajka

Ein interessantes Beispiel ist der Familienname Dessewffy, dessen korrekte Aussprache Dezsőfi lautet.

Für die Kennzeichnung des zs-Lautes war die Buchstabe s gebräuchlich (Dósa – Dózsa, Jósika – Józsika, Kolos(s)y – Kolozsi, Osváth – Ozsvát, Rósa – Rózsa, Sigray – Zsigrai).

Phonetik

Charakteristisch für das Ungarische ist die Betonung auf der ersten Silbe (eine Ähnlichkeit mit der finnougrischen und der slowakischen Sprache), die Vokalharmonie (z.B. barnulásotokról – zöldülésetekről; barna zieht tiefe, während zöld hohe Vokale an), sowie die Unabhängigkeit von Vokal-Länge und Betonung (was die Anwendung des antiken Silbenmaßes ermöglicht). Typisch für sein Lautsystem sind weiche Konsonanten (ny, ty, gy) und unaspirierte geschlossene Laute (ohne I ausgesprochene p, t, k Laute, im Gegensatz z.B. zu germanischen Sprachen) und das Vorhandensein von harten Konsonanten vor palatalen Vokalen (d.h. die Lautverbindungen ti, ne sind möglich statt nye und tyi; im Gegensatz z.B. zum Russischen). Es gibt im Ungarischen keine echten Diphthonge (wie im Finnischen und im Deutschen) und reduzierte d.h. „verschluckte“ Vokale (wie im Englischen und im Deutschen). Der Laut [a] (welche auch im Französischen, Persischen, Schwedischen und in Dialekten weiterer Sprachen vorhanden ist) bereitet Ungarisch-Lernenden Schwierigkeiten.

Grammatik

Die ungarische Sprache ist im Gegensatz zu mehreren indoeuropäischen Sprachen eine agglutinierende Sprache, was vor allem in der Verb- und Nomendeklination, sowie in seinem reichen Suffix-System erkennbar ist. Die Positionen innerhalb des Satzes sind verhältnismäßig flexibel, insbesondere im mittleren Bereich:

Der deklinierte Teil des Prädikats kann auf erster Stelle stehen (befehlender Satz, zu entscheidende Frage), auf zweiter Stelle (Aussagesatz, zu ergänzende Frage) oder auf letzter Stelle (Nebensatz):

Es gibt den bestimmten Artikel; die Verhältnisse des Satzes drückt er mit Suffixen aus (z.B. -ban, -ben), welche nach dem Beziehungswort stehen (adpositio), im Gegensatz zu dem Adjektiv, welches dem zugehörigen Substantiv vorangeht.

Die Sprache kennt keine Geschlechter und von den früher zahlenstarken Tempora bestanden nur 1 Vergangenheits- und 1 Gegenwartsform fort, die Zukunft wird nämlich oft mit Gegenwartskonjugation ausgedrückt (holnap indulunk), obwohl es auch eine Variante mit Modalverb gibt: (holnap fogunk indulni). Aber die Verbkonjugation hat sowohl eine subjektive als auch eine akkusative Form; letztere kann sich auf alle sechs Personalpronomen beziehen, aber wenn sie auf das Pronom aki bezieht, dann fügt man ein rückbezügliches Pronom hinzu.
Die Rechtschreibung sucht in erster Linie Wortelemente zu spiegeln (z.B. mond + ják), während in anderen Fällen die Phonographie in den Vordergrund rückt (z.B. higgyük), was auch auf Finnisch und Türkisch typisch ist. Außerdem weist sie mit Zeichensetzung (Interpunktion, z.B. Komma, Doppelpunkt, Gedankenstrich, Klammern) auf die Satzstruktur, Wortstruktur (kurze Vokale), sowie auf die Wortart und auf das einheitliche Schreiben der Wortstämme.

Der agglutinierende (anfügende) Charakter ermöglicht auch die Häufung von Nachsilben (ähnlich zum Persischen, Baskischen, antiken Sumerischen oder zum Türkischen). Das längste ungarische Wort ein wahres Feuerwerk der unerschöpflichen Suffixvorräten und wahrhaftig ein einziges Wort:
elkelkáposztástalaníthatatlanságoskodásaitokért
(47 Anschläge)

Unseren deutschen Freunden könnte man es wie folgt verständlich machen:
aufgrund eurer Gewohnheit vorzutäuschen, als ob ihr nicht gänzlich vergärtnerkohlt werden könntet
(97 Anschläge oder 12 Wörter)

Auch typisch sind verschiedene Formvarianten in der Benutzung von sowohl Wortstämmen als auch Nachsilben, in der Benutzung reicher Lokative. Ungarische Grammatiken unterscheiden zwischen drei Typen von Nachsilben: képző, jel und rag, welche dem Wortstamm mit wenigen Ausnahmen in dieser Reihenfolge zugefügt werden.
Die ungarische Sprache unterscheidet zwischen dem allgemeinen (unbestimmten, „subjektiven“) und dem bestimmten („akkussativen“) Konjugation: olvasok [ich lese], olvasom [ich lese es], und das Infinitiv ist konjugierbar (látnom, látnod, látnia usw. was ansonst auch im Portugiesischen und im Türkischen der Fall ist).

Das Ungarische benutzt den unbestimmten Artikel (egy) viel seltener als indoeuropäische Sprachen. Die Singularform ist auch dort gebräuchlich, wo die Quantität keine Rolle spielt, obwohl es meistens um mehrere Stücke geht:

Paarige Körperteile (wie kéz, láb, szem, fül), die paarigen Kleidungsstücke und Accessoires für dieselben (Handschuh, Brille), und auch das Besitztum mehrerer Besitzer wird in Plural gestellt (z.B. élik az életüket statt életeiketKérjük kedves vendégeinket, foglalják el a helyüket, kapcsolják ki mobiltelefonjukat!), auf eine Hälfte paariger Körperteile weist das Wort fél hin (fél kézzel egyensúlyoz). Der Grund ist, dass – anders als in den indoeuropäischen Sprachen – die Zweizahl (dualis) nicht in den Plural sondern in den Singular eingeflossen ist.

Interessant: Lingvopedia der Europäischen Kommission: Übersicht über das Ungarische
Quelle: 'Magyar nyelv' auf der ungarisch-sprachigen Wikipedia

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